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Mi., 16.
Okt. 19

Lerbacher Anekdote - "hochmoderner" Fussball

Von Wolfgang Gärtner für Wolfgang Gaertner.

... und damals entwickelte sich schon "hochmoderner" Fussball beim SVL.

Liebe Lerbacher,

als meine Frau und ich vor einem Jahr (14. Oktober 2018) beim SVL-Heimspiel nach Jahren Helmut Pförtner (Perry) beim Grillen wiedergetroffen haben, waren sofort die alten Erinnerungen wieder da. Leider habe ich da seine BratWürste nicht probiert ...

Doch zunächst der Reihe nach ... 

Kurze Zeit, nachdem wir Zwillinge unterhalb vom Lerbacher Schützenhaus das Laufen lernten, begann wie bei allen Kindern der Run um den Ball.

In Lerbach war es zu der Zeit natürlich auch so, dass schon vom Elternhaus mitgeprägt wurde, ob man sich zum Handball oder Turnen zum MTV oder zum Fußball zum 1921 gegründeten SV Lerbach orientierte. Für uns Zwillinge war die Richtung klar: Schwimmen und Fußball meist im Sommer, Skilaufen im Winter.

Unser Spielplatz war natürlich auch die wenig befahrene Hauptstrasse, wo der doch sehr schwere GummiBall (vom Gummiwerk Fröhlich) rauf und runter getrieben wurde und abwärts immer weiter rollte. Spielpausen gab es, wenn der  strenge Dorfpolizist Zander sich näherte und wenn sich das einzige Auto aus dem Oberdorf von Robert Wiegand (der "Blitz") oder Scheerschmitz Sägemaschinen lautstark näherten.

Bild 1: Lerbach - Turnplatz 

Wenn man den unebenen, felsigen Fahrweg (Am Schwarzenberg) hinter dem Schützenhaus hoch gelaufen war, bolzten oben auf dem kleinen Turnplatz die damals schon älteren Jungen. Aber dort durften wir noch lange nicht mitspielen, sondern standen am Rand rum und mußten den Ball wiederholen, wenn er den Turnplatz verlassen und auf den naheliegenden Friedhof oder weiter ins Tal geflogen war. Doch beim Ballholen konnte man zeigen, dass man langsam das Zeug hatte, um auf dem Turnplatz endlich mitzukicken.

Dann entwickelten sich rasch die Jahre, in denen wir unser Umfeld um Alte Schule und Schützenhaus erweiterten, wir im Sommer intensiv das Schwimmbad aufsuchten und jede Gelegenheit nutzten, um auf dem Sportplatz rumzutoben.

Auf dem Weg ins Oberdorf holten wir noch Dietmar Alberti und Hans-Otto und Günter Regenhardt ab. Für 10 Pfennig haben wir uns manchmal auch bei Tante Anna Kutscher im Querkrug noch etwas Sauerkraut aus dem Fass mitgenommen, lecker. Weiter oben trafen wir dann Helmut (Perry) Pförtner und weitere Jungen, um zu bolzen.

Perry war der Beste und damals schon als Dribbelkünstler hervorragend, Hans-Otto war der Schnellste, Dietmar hatte den strammsten Schuß und wir Zwillinge waren plötzlich die Größten, aber  blieben als Fußballer eher "lernfähig".

Bild 2: SVL A-Jugend ca. 1952 

Der damalige Sportplatz in den 1950er Jahren war ein einziger Schotteracker mit matschigen Stellen, in denen man saudreckig wurde. Diese Platzbereiche haben wir meist gemieden. Später haben wir unsere Gegner dort gerne reingelockt und zu Fall gebracht, damit sich das waschen auch lohnte. Nach dem Spiel wurden die dreckigen Schuhe an einer Wasserquelle am Eingang zum Sportplatz abgewaschen. Dort wurde auch der kostbare Lederball gereinigt, bevor er trockengerieben und später wieder eingefettet wurde. Überhaupt ist hervorzuheben, mit welcher Hingabe und viel Lederfett der Kutschen Emil damals die raren Lederbälle gepflegt hat.

Schräg unterhalb der Kirche befand sich damals ein Schaukasten des SV Lerbach, in dem die aktuellen Heimspiele mit Mannschaftsaufstellung und Gegner angekündigt wurden. Dann waren wir schon gespannt auf den Sonntagnachmittag, um unsere Mannschaft mit entsprechender Lautstärke zum Sieg zu verhelfen. Spielfehler wurden ähnlich deutlich begleitet, aber mit großem Bedauern.

Aber wir waren nur kleine Randfiguren. Wichtig für uns war das Verhalten der eigentlichen Fans der Mannschaft - die besonderen Fußballexperten des Ortes. Davon konnten wir sehr viel lernen und haben jede Geste und Bemerkung aufmerksam wahrgenommen. Ich erinnere mich an immer die gleichen treuen Zuschauers, beispielsweise den Schuster Heinz (Bertram), die Bäcker F. Biel und K. Münnecke, O. Oppermann, W. Sintara, H. Hirschhausen, K. Eichhorn, R. Kohlrausch, die an der rutschigen Böschung zum Spielfeldrand oder oberhalb des Weges zum Schwimmbad das Spielgeschehen sehr aktiv begleiteten und für Stimmung sorgten. Die Schiedsrichter hatten es manchmal nicht leicht und hielten sich oft lieber etwas entfernt von diesen Zuschauern auf.

Bild 4: SVL 1. Herren ca. 1952  

In den Vordergrund traten in diesen Jahren als Spieler immer wieder Helmut (Perry) Pförtner und Helmut Kämpfer mit ihrer feinen Spieltechnik, aber auch Rolf Eichhorn als Torwart mit seinem Wagemut und eisernen Härte. Die Brüder Heinz und Siegfried Maletzki hatten ebenfalls eine besondere Spielklasse und die ganze Mannschaft war ein ganz besonderes Team. Später auch Günter (der "Dicke") Lindenau mit seinen Kopfballtoren konnte genau so begeistern wie sein Bruder Hubert Lindenau mit seinen scharfen Flachschüssen.

Bei Auswärtsspielen durften wir im Bus "Harzer Roller" mitfahren. Auf dem Hinweg war man schon zuversichtlich und auf dem Rückweg wurde meist "In Berlin, wohl auf der Hasenheide, da saß ´ne Kuchenfrau alleine ..." gesungen, und das nicht nur, wenn man auswärts gewonnen hatte. 

Bild 3: SVL Jugendtrainer Karl Trebbin

Inzwischen hatte sich Karl Trebbin mit Hingabe um uns Jungen gekümmert und wir machten erstmals Bekanntschaft mit der Bezeichnung: Trainer. Karl brachte uns immer wieder bei, dass wir nicht alle hinter dem Ball herlaufen sollen, sondern uns auf dem Spielfeld verteilt an- und abspielbereit bewegen sollen. Diese Spielweise ist doch heute noch hochmodern!

Das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 in Bern gegen Ungarn haben wir schon im winzigen Imperial-Fernseher beim Trost (Sauerbrey) verfolgt. Der Saal war überbesetzt, wir konnten von hinten kaum was sehen, aber haben doch gefühlt alles mitbekommen. Anschließend haben die Erwachsenen noch einige Bierchen getrunken und wir haben natürlich sofort "weltmeisterlich" auf der Hauptstrasse gebolzt.

Ist es nicht toll, was der SVL seit 1921 für eine erinnerungswerte Vergangenheit mit vielen Ereignissen und Beteiligten bis in die heutige Zeit hat!

Das 75-jährige Jubiläum des SVL ist schon länger vorbei und nächstes Jahr steht das 100-jährige Vereinsjubiläum an. Dann kann sich auch die dann aktuelle Mannschaft wieder präsentieren und ist sicher ebenso vorbildlich, wie die erwähnten Sportler und Mitglieder der Vergangenheit.

Bild 5: SVL 1. Herren 2019/20 

Vieles ist lange her. Ich habe mich nach der A-Jungend mit dem Schwimmsport und erst bei  den "Alten Herren" in Dortmund im Stadion Rote Erde und dann beim FC Freiheit wieder mit Fußball befasst, bevor ich mich endgültig und bis heute intensiv dem Tennissport verschrieben habe. Mein Bruder hat noch etwas länger beim SVL Fußball gespielt, hat dann aber seine Sportkarriere mit jede Menge Sportabzeichen und dem Laufsport fortgesetzt und etliche Marathon und Triathlon absolviert.

Bild 6: SVL Heutiger Rasenplatz

Heute erkennt man den Lerbacher Sportplatz mit gepflegtem Rasenplatz und funktionalen Gebäuden kaum wieder. Das war bis dahin sicherlich ein langer Weg, der unter mißlungenen Zwischenlösungen und Stillstand gelitten hat, aber an der mehrere Vorstände und viele Mitglieder aktiv beteiligt waren.

Vielen Dank an Karl Rampolt und Helmut Pförtner, ohne unsere Gespräche wäre diese Anekdote lückenhafter.

Und wenn wir wieder mal bei einem SVL-Heimspiel dabei sind, dann kann der Perry ein paar Bratwürste mehr auflegen ...

Beste Grüße aus Düsseldorf

Wolfgang Gärtner  -  gaertner@interform.de 

 

 

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